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Anders, Günther

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Lebenslauf

Geboren: 12. Juli 1902 in Breslau (heute Polen)
Gestorben: 17. Dezember 1992 in Wien

Günther Anders wurde als Sohn des jüdischen Psychologenpaares William und Clara Stern geboren. 1915 siedelte er mit seiner Familie nach Hamburg über. Er studierte von 1921 – 1924 Philosophie in Freiburg bei Martin Heidegger und Edmund Husserl, bei dem er auch promovierte. Seine Habilitation scheiterte aber am Einspruch Theodor W. Adornos. Nach seinem Studium lebte Anders als freier Journalist und Schriftsteller. Von 1929 – 1937 war er mit der Philosophin Hannah Arendt verheiratet.
Nach dem Reichstagsbrand 1933 emigrierte Anders nach Paris, 1936 aus Sorge vor dem sich anbahnenden neuen Weltkrieg in die USA. Dort arbeitete er u. a. als Autor für deutschsprachige Zeitschriften, als Hauslehrer, Museumswärter, Fabrikarbeiter und als Dozent für Philosophie. 1950 kehrte er dauerhaft nach Europa zurück und ließ sich in Wien nieder. Ihm angetragene Professuren für Philosophie in Halle an der Saale und Berlin schlug er aus, um weiterhin als freier Schriftsteller, Rundfunkautor und Übersetzer wirken zu können.


Bedeutung

Anders war ein österreichischer Sozialphilosoph und Schriftsteller. Da er der akademischen Denkrichtung skeptisch gegenüberstand, blieb er ein Außenseiter der modernen Philosophie. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Anders vor allem als Mitbegründer und führende Persönlichkeit der Anti-Atombewegung bekannt. In philosophiegeschichtlicher Hinsicht gilt er als ein Pionier der Technikkritik und Medienphilosophie.


Lehre und Gedanken

Günther Anders hat für sein Leben drei große Zäsuren beschrieben, die sein Denken und Schreiben maßgeblich geprägt hätten: der Anblick von Kriegsverletzten des Ersten Weltkrieges, die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Existenz der Konzentrationslager sowie der Abwurf der Atombombe über Hiroshima am 6. August 1945. Die größte Erschütterung seines Denkens ging dabei von der nunmehr möglich gewordenen Auslöschung des gesamten Lebens auf der Erde aus. Hauptthema seines Werkes bildet daher eine Analyse der „zerstörten Humanität“.

„Dein erster Gedanke nach dem Erwachen heiße Atom. Denn du sollst deinen Tag nicht mit der Illusion beginnen, was dich umgebe, sei eine stabile Welt. Was dich umgibt, ist vielmehr etwas, was morgen schon ein Gewesenes sein kann, ein Nur-Gewesenes; und wir, du und ich und unsere Mitmenschen, sind vergänglicher als alle, die bis gestern als vergänglich gegolten hatten. Denn unsere Vergänglichkeit bedeutet nicht nur, dass wir sterblich wären; auch nicht nur, dass wir tötbar wären, jeder von uns. Das war auch früher Brauch. Sondern, dass wir im ganzen tötbar sind, als Menschheit.“ (Günther Anders: Gebote des Atomzeitalters, in: FAZ vom 13. 7. 1957)

In seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“, das in zwei Bänden 1956 und 1980 erschien, vertritt Anders die These, dass der Mensch nicht mehr Herr über die von ihm selbst geschaffene Technik sei. Diese doch sehr pessimistische Weltsicht wurzelt in Anders’ Lebensthema, der Verwüstung des Humanen, der Sprache und des Sozialen durch die Übermächtigkeit der technischen Welt.
Ausgangspunkt von Anders' Zivilisationskritik ist die Diskrepanz zwischen der Unvollkommenheit des Menschen und der immer größer werdenden Perfektion der Maschinen. Diese Diskrepanz nennt er das „prometheische Gefälle“. Das Wissen von der Unterlegenheit des Menschen gegenüber seinen technischen Schöpfungen erzeugt im Menschen „prometheische Scham“, die zu dem Wunsch führe, selbst wie eine Maschine zu sein. Mit der größer werdenden Differenz zwischen der Leistungsfähigkeit des Menschen und seiner Geräte beginnt für Anders die „Antiquiertheit des Menschen“. Das menschliche Leben wird so zu einer antiquierten, längst überholten Daseinsform, und das menschliche Denken und humane Wertvorstellungen zu rückständigen Vorstellungen.
1980, als der zweite Band seines Hauptwerkes erschien, sah Anders das Zeitalter der Technokratie endgültig gekommen. Der Mensch war für ihn nun vollständig antiquiert und die Technik zum Subjekt der Geschichte geworden.

Im 1956 erschienenen ersten Band der „Antiquiertheit des Menschen“ hat Günther Anders eine der ersten und fundiertesten Studien über die veränderte Wahrnehmung des Wirklichen durch das Medium Fernsehen vorgelegt. Anders zufolge sage das Fernsehen über einen bestimmten Sachverhalt oder ein Ereignis immer nur einen Teil aus, nie alles. Der zuschauende Mensche werde aber durch vorgegaukelte Objektivität einem eigenen Urteil enthoben. Dabei werde die Differenz zwischen Ereignis und Abbild getilgt und dem Zuschauer suggeriert, er könne über Abwesendes verfügen.


Hauptwerk von Günther Anders

„Die Antiquiertheit des Menschen“ (1956 u. 1980)
Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. München: C. H. Beck 2002.


Über Günther Anders

Konrad Paul Liessmann: Günther Anders zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag 1993.

Konrad Paul Liessmann: Günther Anders. Philosophieren im Zeitalter der technologischen Revolutionen. München: C. H. Beck 2002.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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